Plattdeutsch
Lange Zeit galt das Plattdeutsche als unbeholfene „Bauern“- und „Dörfer“- Sprache. Ehemals aber war es die Verkehrssprache schlechthin. Die Hansesprache, eine der Vorgängersprachen des heutigen Plattdeutschen zur Hochzeit der Hanse, hatte Rang und Geltung und war über ganz Europa weit verbreitet. Plattdeutsch ist mit seinen Varietäten und Sprachpotenzial kulturelles Erbe und Sprache der Vorfahren. Heute gilt Plattdeutsch, auch Niederdeutsch genannt, als bedrohtes europäisches Kulturerbe, das geschützt und gefördert wird. Im Jahre 1999 unterzeichnete Deutschland die Europäische Sprachencharta zur Förderung der Regional- und Minderheitensprachen. Mit diesem Schritt verpflichtete sich die Regierung, dem Schutz einer Sprache, die in den Jahrzehnten zuvor massivst unterbunden worden war. Die Forderung, dass in allen Bereichen des täglichen Lebens, der Anspruch erfüllt werde, Plattdeutsch wieder zu verbeiten, ist aber noch immer nicht realisiert worden. Die Umsetzung der in der Charta formulierten Schutzmaßnahmen schreitet nur langsam voran. Um das Plattdeutsche zu schützen, müssen die nativen Sprecher bei allen Gelegenheiten wieder ihre Sprache pflegen - auch mit jungen Menschen, denn sie sind die Sprecher von morgen. Von diesen ist der Erhalt der Sprache abhängig. Vor allem im Bildungswesen ist die Entwicklung noch ausbaufähig. Der Staat sollte seine sprachpflegerischen Pflichten wahrnehmen. Gerade das ist aber auch Aufgabe der einheimischen Bevölkerung - ihr altes Kulturgut zu pflegen und weiterzuentwickeln und die Meinungshoheit nicht an zentrale Bildungsinstitutionen abzugeben. Deshalb wird der Verein seinen Beitrag zur Erhaltung des Plattdeutschen leisten. Jeder, der sich um die Vielfalt und den Schutz des Kulturraumes Dorf und der natürlichen Lebensverhältnisse bemüht, muss sich früher oder später mit der hiesigen plattdeutschen Sprache auseinandersetzen. Die Planungen und Vorbereitungen für Unterrichtseinheiten bzw. spielerisch praktische Darstellung von alltäglichen Lebens- und Arbeitssituationen im regionalen Niederdeutsch sind in vollem Gange.
Umfrage zum Erhalt des Plattdeutschen
Woar gaht et henn, dat Menslaoger Platt?
Über den Zustand des Plattdeutschen in Menslage
Bericht über die Bevölkerungsbefragung "Zum Erhalt des Plattdeutschen" im Mai/Juni 2013.
1989 in Cloppenburg geboren, bin ich in Menslage aufgewachsen und habe hier 20 Jahre meines Lebens verbracht. Dass ich in dieser Zeit in nennenswerten Umfang mit dem Plattdeutschen in Berührung getreten bin, kann ich nicht behaupten. Dass ich es allerdings vermisst hätte, kann ich auch nicht sagen. Wie sollte ich auch etwas vermissen was ich nicht kennengelernt habe? Die Schönheit dieser charmanten Sprache erfuhr ich schließlich in Oldenburg, und ich erinnerte mich wieder an die in der Kindheit vernommenen fremdartigen Laute und Klänge in den Gesprächen meiner Großeltern. Ich begann mich intensiver mit der Sprache unserer Vorfahren zu beschäftigen. Auch mit jenen Entwicklungen, die dazu geführt haben, dass unsere ehemalige Verkehrssprache heute hauptsächlich in ausgewählten Kreisen ihre Verwendung und womöglich nur durch diese noch ihre Daseinsberechtigung als Kommunikationsmedium 'Sprache' findet. Wie steht es nun um das Plattdeutsche?
Mit viel Engagement in den 90ern begonnene Maßnahmen wie z.B. alljährliche Lesewettbewerbe erfreuen sich anhaltend hoher Beliebtheit bei öffentlichen Institutionen, Förderern und Pressewesen, die tatsächliche Beteiligung aber ist seit Jahren rückläufig. Dass die erwünschte Wirkung erzielt wird, konnte ich leider nicht beobachten. Dass es um die plattdeutsche Sprache nicht allzu gut bestellt ist, verdeutlichen auch Frerk Möllers Ergebnisse der vom Institut der Niederdeutschen Sprache im Jahr 2007 durchgeführten INS-Umfrage. Trotz eines anhaltend hohen Interesses und einer hohen Wertschätzung dem Plattdeutschen gegenüber hat sich in einem Vierteljahrhundert die Anzahl der Sprecher in Norddeutschland halbiert. Nachdenklich stimmen sollten insbesondere die nur noch rudimentären Sprachkenntnisse meiner Generation und meiner Elterngeneration. Das Plattdeutsche ist eine im Aussterben begriffene Sprache.
Es stellt sich die Frage, weshalb trotz allgemeiner Sympathie und einer seit dem Ende der 90er Jahre bestehenden staatlichen Verpflichtung für den Schutz des Plattdeutschen – die Europäische Sprachencharta für Regional- oder Minderheitensprachen – die Anzahl der Sprecher in verhältnismäßig kurzer Zeit in einem derartigen Umfang zurückgegangen ist. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen in unserem Heimatdorf Menslage eine Umfrage zum Erhalt des Plattdeutschen durchzuführen. Ich wollte erfahren, inwiefern Teile der Bevölkerung sich für das Plattdeutsche interessieren, es beherrschen und ob sie persönlich der Meinung sind, dass die plattdeutsche Sprache erhalten bleibt. Von zentraler Wichtigkeit war die Erfragung des generellen Erhaltungswillens – Befürwortung von Fördermaßnahmen – sowie die Erkundung des persönlichen Engagements der Befragten.
Allgemeine Situation in Menslage
Das Plattdeutsche ist in Menslage eine verhältnismäßig gut beherrschte Sprache (der Annahme folgend, die Selbsteinschätzungen der Befragten sind zutreffend), der im Allgemeinen sehr viel Sympathie entgegengebracht wird. Den Stellenwert als Hauptsprache hat es aber längst an das Hochdeutsche verloren. Eine Minderheit spricht noch überwiegend oder gleichviel, niemand aber nur Plattdeutsch. Plattdeutsch als alternatives Kommunikationsmittel zum Hochdeutschen ist dennoch verbreitet durch eine aktive (über 50 Jahre) wie verdeckte (unter 50 Jahre) Zweisprachigkeit, allerdings mit deutlich rückläufiger Tendenz. Die sprachlichen Ressourcen in der Eltern- und Großelterngeneration sind den Daten nach noch ausreichend, die Sprache weiterzugeben, zu bewahren und schützen. Unter den jüngsten Befragten ist das Potenzial und das Interesse zur Hinwendung zum Plattdeutschen gegeben, vereinzelt sind auch in der jüngeren Generation noch gute Sprecher anzutreffen. Menslage ist demnach noch ein verhältnismäßig dialektfester Ort, doch zeichnen sich Entwicklungen, wie sie in weiten Teilen des ehemaligen plattdeutschen Sprachgebiets abgeschlossen sind, ab. Der Verlust des Dialekts vollzieht sich hier mit Verzögerung, wird aber bereits in den sinkenden Kompetenzen der jungen Bevölkerung, die nur selten Gesprächspartner der (älteren) Sprecher ist, sichtbar. An dieser Stelle stehen die Sprecher in der Verantwortung. Die Elterngeneration (35-49 Jahre) aber glaubt, bei der jüngsten Generation ein allgemeines Desinteresse am Plattdeutschen zu erkennen. Dieser Vorwurf wird jedoch durch die hohe Zahl derjenigen unter 35jährigen, die Interesse am Plattdeutschen bekunden, entkräftet. So bedauern z.B. zwei Drittel der 17 bis 34jährigen Frauen fehlende Plattdeutschkenntnisse.
Versagen des Staates
Die große Mehrheit der Menslager ist sich der Gefährdung des Plattdeutschen bewusst, wünscht sich, dass es erhalten bleibt und spricht sich für (mehr) Fördermaßnahmen aus. Eine generelle Unterstützungsbereitschaft ist gegeben. Negativ anzusehen ist, dass nur jeder Fünfte schon mal von der Europäischen Sprachencharta für Regional- oder Minderheitensprachen gehört hat. Der Staat hat mit der Charta ausdrücklich die Verantwortung für den Erhalt des Plattdeutschen übernommen. Die Tatsache, dass die Charta in 16 Jahren Bestehen dem Zielpublikum auch in Menslage nicht bekannt geworden ist, ist eine Bankrotterklärung für die ursprüngliche Intention, das Plattdeutsche zu schützen und zu fördern. Von staatlicher und medialer Seite müssen größere Bemühungen angestellt werden, denn offensichtlich wissen die Bürger nicht um ihre Möglichkeiten. Vor allem die jungen Menschen - das zeigt ihre Medienrezeption – ließen sich über die Medien von Imagekampagnen für Platt, wie es sie längst in Ostfriesland gibt, erreichen.
Versagen der Sprecher
Nicht einmal jeder zehnte Menslager sagt sein Engagement zum Erhalt ohne Einschränkung zu. Maßnahmen zum persönlichen Einsatz werden kaum genannt. Nur eine Minderheit lässt sich so als engagierte Sprecher kennzeichnen. Die große Mehrheit derjenigen, die sich für den Erhalt engagieren würden, zeigt sich hinsichtlich der anzustrebenden Maßnahmen unsicher. Der Wille, das Plattdeutsche zu erhalten, ist da, aber es fehlt entweder die Motivation, die Befähigung oder das Wissen, das schließlich zu Handlungen führt, die zum Erhalt der Sprache beitragen. Eine resignative Grundhaltung ist in der Bevölkerung auszumachen, der Rückgang des Plattdeutschen wird von einer relativen Mehrheit als unaufhaltsamer Prozess wahrgenommen. Die eigene Initiative ist selten gegeben, aber noch vorhanden. Gerade an diesem Punkt muss der Staat den Sprechern vermitteln, dass sie unterstützt werden bei der Initiierung von Projekten zur Förderung und zum Erhalt des Plattdeutschen. Angesichts der Ergebnisse zeigt sich, dass der Rückgang der Sprecherzahlen im selten auftretenden persönlichen Engagement wie z.B. der ausbleibenden Sprachweitergabe begründet ist und von den Schutz- und Fördermaßnahmen – die offensichtlich nicht die gewünschte Wirkung gezeigt haben – nicht aufgehalten werden kann.
Nur eine Minderheit (8%) der zumindest mäßigen Sprecher (insgesamt 72% der Befragten) würde sich ohne Einschränkung für den Erhalt einsetzen. Die Mehrheit würde sich nicht einsetzen und die verbreitete Unsicherheit derjenigen, die sich einsetzen würden, wird wohl kaum zur Teilhabe an der Spracherhaltung führen. Das Interesse an der Sprache und das Prestige des Plattdeutschen mag gestiegen sein, für das Engagement der Bürger zum Erhalt des Plattdeutschen lässt sich gleiches nicht feststellen. Es scheint, man beobachte den Verfall mit Bedauern, ohne aber etwas dagegen zu unternehmen. Ein Schwanengesang wird allenthalben angestimmt.
Schlussfolgerungen
Der Staat steht in der Verantwortung, den Sprechern die Optionen aufzuzeigen, die sich ihnen durch die Sprachencharta bieten. Soll unser hiesiges Platt erhalten bleiben, wird von entscheidender Wichtigkeit sein, die unentschlossene Generationen der unter 50jährigen zu motivieren sich stärker mit der Sprache auseinanderzusetzen. Um dieses zu erreichen, wird an einer Modernisierung der Sprache kein Weg vorbei gehen. Die über 50jährigen Sprecher müssen zunächst einmal ihre Verantwortung als Sprecher annehmen, denn Resignation und Schwanengesang statt Pflege und Weitergabe im Anblick eines weniger werdenden aber offensichtlich geschätzten Plattdeutschen wird die Negativentwicklung nicht aufhalten. Hierbei sei an die wichtigen Projekte des Heimatvereines in den 90er Jahren und vor allem an unser Menslager Wörterbuch erinnert. Diesen Weg wieder zu beschreiten, wird wohl die einzige Möglichkeit sein, den Sprachenschatz unserer Vorfahren, der jahrtausendelang geschützt und behütet wurde, an jene weiterzugeben, welche nach uns kommen. Der Hoffnungsschimmer sind die über 50jährigen: sie haben aus der Kindheit den Klang der Sprache noch in den Ohren und sind in der Lage, das sprachliche Umfeld wieder zu reaktivieren und weiterzuentwickeln.
Wenn diese Chance vertan wird, werden in naher Zukunft sich Herr Lübbert zur Borgs 1992 niedergeschriebene Worte bewahrheiten: […] Wahrscheinlich ist unsere eigentliche Muttersprache nach einer weiteren Generation im täglichen Leben nicht mehr in Gebrauch. Schon jetzt ist ein großer Teil des ursprünglichen Wortschatzes aus dem Bewußtsein der Menschen verschwunden [...]. [Heimatverein Menslage 1992, S. 4]
Werden in diesem Jahrzehnt keine Projekte initiiert, welche unser Sprachenerbe bewahren und weiterentwickeln, wird mit jedem Plattdeutsch sprechenden Bewohner, der unsere Gemeinde verlässt, ein weiteres Stück Menslager Kultur verloren gehen.
Gregor Meyer